In einer der vielen Grachten Amsterdams liegt ein Hausboot. Es ist alt, es ist schäbig, aber es ist bewohnt. Van Gogh, der furchtlose Kater mit nur einem Ohr lebt dort. Und Rudolf, die Wasserratte. Und ein verwirrtes Blässhuhn. Und ein Papagei, der sich für zwei hält. Und Evangelina, die schüchterne Riesenschlange. Nicht zu vergessen Chou-Chou, die schöne, aber etwas hochnäsige Perserkatze, der Van Goghs ganze Liebe gehört. Bei so vielen unterschiedlichen Tieren kann Streit nicht ausbleiben. Aber gerade, als alle sich einigermaßen zusammengerauft haben, fängt der Ärger erst richtig an. Mit einem Haufen, einem Hundehaufen, der es in sich hat. Die skurrilen Charaktere bieten Sabine Wilharm eine ideale Vorlage für ihre eigenwilligen Bilder.
auch als Taschenbuch bei Fischer Schatzinsel
![]() | Sabine Ludwig Ein Haufen Ärger
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In diesem Moment stürzt, aufgeregt mit den Flügeln schlagend, Bertlinde in den Salon. "Da draußen sind welche!", gackert sie. "Ganz viele!"
"Wer ist draußen?" Van Goghs Augen glitzern abenteuerlustig. "Wer wagt es, unser Boot zu betreten?"
"Hunde! drei riesige Hunde!"
"Das ist doch was für dich Van Gogh", fiept Rudolf, "du bist doch der große Hundebezwinger."
"Ich kümmere mich drum, das sind bestimmt die Freunde von dem kleinen Scheißer. Aber wenn du die riesig findest, Bertlinde, da bin ich weiß Gott ganz andere Kaliber gewöhnt", sagt Van Gogh prahlerisch.
Keiner hört ihm zu, alle starren auf die Treppe. Oben in der Tür steht ein Hund!
"Nimmst du den kleinen Scheißer zurück?", kläfft der Rehpinscher.
Van Gogh geht zur Treppe. "Komm runter, Kleiner, dann zeig ich dir, was ich zurücknehme ..."
Der Pinscher macht kehrt und verschwindet in der Nacht.
Van Gogh gähnt. "Mit so einem Zwerg lohnt es sich nicht zu kämpfen, schade eigentlich, mir wär mal wieder nach..."
Wonach ihm wäre, bleibt Van Gogh in der Kehle stecken, denn lautes Gepolter ertönt und drei riesige Hundeleiber drängen sich durch die Tür, stürzen mit ohrenbetäubendem Gebell halb unter- halb übereinander die Treppe runter. Die Lampe fällt um, es ist stockdunkel im Raum.
"Wo bist du Katzenvieh, ich mach dich kalt", knurrt eine tiefe Stimme und eine etwas höhere kläfft heiser: "Es sind zwei Katzen und 'ne Ratte, hat Fifi gesagt. Genug für uns zum Abendbrot."
"Ab nach hinten in die Kombüse und durchs Fenster an Deck", zischt Van Gogh den zwei glühenden Punkten zu, die er für Chou-Chous Augen hält.
"Ay, die gehen stiften, Rex!", ruft eine dritte Stimme. "Hinterher!"
Aber im Gegensatz zu Katzen können Hunde im Dunkeln nun mal nicht gut sehen und so knallen die drei mit ihren Köpfen aneinander und torkeln benommen herum.
"Das war knapp!", schnauft Van Gogh, der als letzter das Heck erreicht.
"Aber wie kommen wir an Land?", jammert Rudolf und blickt schaudernd in den zwei Meter breiten Streifen Wasser zwischen Bootswand und Kaimauer.
"Du kannst ja schwimmen", sagt Van Gogh. "Und wir benutzen Evangelina als Brücke."
"Aber das geht doch nicht!", ruft Evangelina.
Aus der Kombüse ertönt das Klappern von Töpfen, die zu Boden fallen.
"Sie kommen, mach schon, Evangelina!"
Evangelina ziert sich nicht länger, legt sich über den den Bootsrand, der Schlangenleib ruckt ein Stückchen vor und noch ein Stückchen, schließlich liegt ihr Kopf auf der Straße, und der erste, der hinüberflitzt, ist Rudolf. Ihm folgen Chou-Chou und Van Gogh.
"Mein Ei! Wir müssen mein Ei mitnehmen!", quakt Bertlinde. Van Gogh macht noch einmal kehrt, schnappt sich das Ei und läuft los, keine Sekunde zu spät, denn soeben stürzt einer der Hunde durchs Fenster, springt Van Gogh hinterher und landet - platsch - im Wasser, den Evangelina hat gerade noch rechtzeitig den Schwanz eingezogen.